Im Land der blauen Reiter

Das bayerische Oberland wird oft – abgesehen von den Münchner Tagesausflüglern – weniger als Urlaubsziel sondern mehr als Durchreiseroute wahrgenommen. Wir gehörten zu denen, die das südliche Münchner Umland als Ziel der Stadtflucht liebten. Murnau, Kochel, Benediktbeuren … Und deswegen sollte unser Urlaub ins Murnauer Land gehen.

Das Murnauer Land ist nicht nur landschaftlich wunderschön, sondern auch vielseitig. Nicht nur die Wiesen- und Moorlandschaften mit Bergpanorama sind sehenswert, sondern auch kulturell hat die Gegend einiges zu bieten. Schon die Künstler der Blauen Reiter um Franz Marc, Wassily Kardinsky, Gabriele Münter, Paul Klee und wie sie nicht alle heißen, wussten die Schönheit der Region zu schätzen. Gut, die Kunst des deutschen Expressionismus muss man mögen, doch keine andere Künstlergruppe der modernen Kunst bereitete den Weg für die neue Zeit bis und nach dem Ersten Weltkrieg. Auch ist es spannend anhand ihrer Lebenswege nachzuempfinden, was die Menschen im gesellschaftlichen Umbruch von Monarchie zur Demokratie an- und umtrieb. Meine Zeit in München und die Präsenz dieses Themas prägte mich literarisch und künstlerisch. Ich vermisse hier im Norden den Zugang zu dieser Epoche.

Jeder Ort in Oberbayern hat einen Maibaum. Daran sind die Ortsansässigen Gewerbe und Vereine abzulesen. Warum der Murnanuer Maibaum nicht in traditionellen weiß blauen Farben umwickelt ist, habe ich noch nicht herausgefunden. Jemand eine Idee?

Das Erste, was wir bei unserer Ankunft taten, wir gingen in den Biergarten. Die Biergärten in Oberbayern sind nicht das, wie man es kennt, der Außenbereich einer Wirtschaft (das sind die Wirtsgärten). Es sind gesellige Orte unter Kastanienbäume, wo die Getränke ausgeschänkt und käuflich erworben werden und der Gast sich seine Brotzeit selbst mitbringen kann. Ein Genuss, am Staffelsee in Murnau zu sitzen und dem vertrauten Klang des bayerischen Dialekts zu lauschen, sowie die Bayerische Gemütlichkeit wieder zu genießen und abends im Bräuhaus bei einem gescheid’n Schweinsbraten (mit Kruste!) zu sitzen. Es war für uns wie nach Hause kommen. Unglaublich, mir war noch nie bewusst, wie einzigartig doch die Bayerische Gemütlichkeit ist.

Wir waren nicht nur dort, weil das Murnauer Land so reizvoll ist, sondern auch weil wir Heimweh und Sehnsucht zu unseren Freuden hatten. Gleichzeitig wollten wir aber auch Urlaub machen und keinen Besuchsmarathon absolvieren. So schien es uns als der beste Kompromiss. Wir schrieben unseren Freunden, dass wir in Murnau residieren und boten an, uns besuchen zu kommen, wenn es passt. Und es klappte bei vielen. Durchgängig wurden wir besucht, machten Weißwurstfrühstück oder eine Wanderung mit alten Weggefährten. Und das schönste war immer aufs Neue: Das Wiedersehen war als wären wir nie weg gewesen.

Wieder zurück im Norden und wie gehts weiter?

Mit einem Zwischenstopp in Gotha, eine hübsche kleine Stadt in Thüringen, kamen wir entspannt wieder in Bad Doberan an. Wie wird wohl nach so viel heimatlicher Luft das Gefühl sein, hier wieder anzukommen? Ich trug wieder die gleichen inneren Kämpfe wie nach jedem München-Trip mit mir aus. Doch etwas war diesmal tatsächlich anders, ich freute mich auch drauf, unsere neuen Freunde in unserer neuen Heimat wiederzusehen. Die letzten Wochen mit Corona in allen befreundeten Familien ließen Treffen gar nicht zu. Die Kinder freuten sich darauf, endlich sich wieder zu sehen, und die Erwachsenen auch. Es fühlte sich gut an.

Doch nicht nur Freude stellte sich ein, sondern auch die (neuen) alten Sorgenfalten auf der Stirn. Im Urlaub haben wir unsere Umbau-Situation ziemlich verdrängt, doch nun hat sie uns wieder eingeholt. Oftmals regeln sich ja Dinge von allein, bei uns waren aber in der Zeit keine Heinzelmännchen da und im Lotto hatten wir auch nicht gewonnen. So stehen wir vor den alten Fragen: Wie gehts weiter? Wie soll der Umbau finanziert werden? Die politische Lage macht es uns nicht einfacher. Zur Zeit kram ich in meinem Kopf nach alten Fetzen Wirtschaftslehre zum Thema Inflation. Kredit aufnehmen? Jetzt oder nie? Hauptsächlich noch niedrige Zinsen? In welcher Höhe? Solche Entscheidungen stressen uns, doch sie müssen wohl getroffen werden.

Weit mehr treibt uns aber um, in welche Heizungsart wir investieren sollen. Mit dem Wahlsieg der Grünen wurde schon angekündigt, dass Gas keine Zukunft mehr hat. Die politischen Unruhen verschärfen das Problem, nämlich dass alle alternativen und erneuerbaren Heizmöglichenkeiten für unser Haus mehr als suboptinal sind, weil das Haus zu groß ist. Und zudem noch ein denkmalgeschütztes Haus! Also was sollen wir tun? Alle Fachmänner und Experten rätseln noch, wir auch. Doch bald müssen wir eine Entscheidung treffen.

Nachdem die Temperaturen Gartenarbeit ungemütlich machen, haben wir uns endlich dem Obergeschoss gewidmet. Der erste Spatenstich wurde sozusagen gemacht. Geplant sind ab Mai die Restauration der Fenster und die Innenarbeiten. Wir wollen Vermieter werden (und im nächsten Winter soll auch unsere Wohnung endlich wärmer werden) und müssen nun endlich mal loslegen.

Das wird im Obergeschoss mal die Küche werden. Kann man doch schon erkennen, oder? Tatkräftige Hilfe kommt von Ricardo mit Freund.

Lust und Tatendrang haben wir noch nicht wirklich, aber es hilft ja nichts. Von allein macht es sich nicht. Also … los gehts …

By the way … eigentlich ist es schon ganz cool, dort zu wohnen, wo andere Urlaub machen.

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