Erschwerte Aufräumarbeiten nach dem Sturm

Sturm Nadja ist vorbei gezogen. Doch irgendwie hängen wir noch immer in den Aufräumarbeiten. Weitere Tiefs bringen Regen und Windböen mit sich und erschweren das in Ordnung bringen.

Auch wenn wir diesen Schritt, in den Nordosten ziehen, im Grunde nicht bereuen und wir uns auch darüber freuen, Schritt für Schritt immer mehr anzukommen, hadern wir trotzdem mit den Rahmenbedingungen. Dass die Vergabe der KfW-Kredite eingestellt wurde, ist für uns noch immer bitter. Wir hatten alle Vorkehrungen getroffen: Kostenvoranschläge eingeholt und alles durchgerechnet. Auch hatten wir eine Bank gefunden, die uns den Kredit geben würde. Nun muss eben ein neuer Plan her.

So recherchieren wir nun nach weiteren Finanzierungsmodellen, wie man ein sanierungsbedürftiges Haus in Schwung bekommt. Doch wie man es dreht und wendet, man braucht eben Kapital. Da uns aber nie in den Sinn kam, mal Hauseigentümer zu werden und wir bis vor knapp zwei Jahren noch immer dachten, wir würden unsere Drei-Zimmer-Genossenschaftswohnung im vierten Stock in München nie verlassen und unser Geld in Reisen um die Welt verpulvern, haben wir für einen solchen Fall eben nicht vorgesorgt. Wir waren kurz davor, richtig loszulegen und Nägel mit Köpfen zu machen. So ist guter Rat nun teuer.

Optimistischer stimmt uns der veröffentlichte Gehaltsatlas 2021 auch nicht: Im Bundesvergleich verdienen Vollzeit-Beschäftigte in Mecklenburg-Vorpommern am wenigsten. Sie kommen im Durchschnitt auf 33.700 Euro brutto im Jahr. Zum Vergleich sind es beim Spitzenreiter Baden-Württemberg 46.620 Euro Jahreseinkommen. Frustrierend, weil wir eben genau diesen Umstand auch in unserem Portemonnaie spüren. Allerdings – und auch das nehmen wir wahr – sind die Experten in MV positiv gestimmt. Der Fachkräftemangel macht es möglich, dass auch hier ein leichter Trend zu verzeichnen ist, dass Menschen in MV mehr verdienen.

Trotz ausbaufähiger Rahmenbedingungen – die Küsten-Mecklenburger sind herzlich

Letzen Samstag musste ich wegen einem „Frauenleiden“ in die Notaufnahme ins Rostocker Krankenhaus. Da es schlimmer wurde, musste ich Sonnatg wieder hin und kam auch gleich (also nach 6 Stunden nüchtern werden) in den OP. Die Ärztin, die mich am Samstag zum Ende ihrer Nachtschicht noch untersuchte, begleitete und operierte mich am Sonntag in ihrer 24-Stunden-Schicht. Die Station, in der ich aufgenommen wurde, war an einem Sonntag mit zwei Krankenschwestern besetzt. Ich wusste nicht, ob ich meine Schmerzen beunruhigender fand oder der Umstand, dass dieses Gesundheitssystem in Form der Rostocker Frauenklinik gerade „auf Kante“ funktionierte. Sie sahen alle müde aus. ABER: Trotz der Personalknappheit hatte ich noch nie in einem Krankenhaus so viel Freundlichkeit, Herzlichkeit und Anteilnahme aus dem Inneren heraus erlebt! Ich empfinde für dieses Team große Dankbarkeit und überlege noch immer, wie ich meine Wertschätzung sichtbar machen kann. 22:30 Uhr wurde ich entlassen. Ihre 24-Stunden-Schicht war noch nicht vorbei und das Team bereitete sich auf weitere Notfall-OPs vor. Respekt für alle in unserem Gesundheistsystem Arbeitenden, die es trotz der knappen Ressourcen schaffen, nett und menschlich zu sein!

Durch Fleurop ganz nahe: Ein Aufmunterungs-Gruß von Freunden aus München. Herzlichst!

Mein Zimmer teilte ich mit einer gebürtigen älteren Rostockerin, die mit ihrem Brustkrebs kämpft. Für die Zeit, in der ich für die Vollnarkose nüchtern werden musste, fand ich in ihr eine wunderbare Gesprächspartnerin. Sie beeindruckte mich sehr, weil sie mit ihrem Schicksal gar nicht haderte, sondern Dinge, die sie nicht ändern konnte, annahm. In diesem Moment dachte ich daran, dass wir gerade schon mit unseren (finanziellen/materiellen) Rahmenbedingungen unzufrieden sind. Diese Frau nicht. Sie lebt mit ihrem Mann – seit 50 Jahren glücklich verheiratet – in einem „Plattenbau“ in Rostock Lichtenhagen, liebt ihren Schrebergarten und ist vollkommen zufrieden mit dem, was sie hat. Wow!

Rostock Lichtenhagen erregte im August 1992 weltweit wegen rassistischen Ausschreitungen Aufsehen. Randalierer im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen griffen unter dem Beifall und der Beteiligung Tausender Anwohner mehrere Tage ein Asylbewerberheim und eine Unterkunft vietnamesischer Vertragsarbeiter an, so wurde es in der Öffentlichkeit dargestellt. Immer wenn wir an Lichtenhagen vorbei fahren, muss ich an diesen Vorfall denken. Ich schaue mir diese ostdeutschen Plattenbauten an und frage mich, ob es auch (noch) so ein sozialer Brennpunkt ist, wie man es gern diesen Gegenden nachsagt. Doch inzwischen weiß ich auch von anderen Rostockern, dass Lichtenhagen sehr heterogen und vielfältig ist: Familien, Menschen mit Migrationshintergrund, Studenten und Rentner. Also kein sozialer Brennpunkt. Und ich weiß nun auch von meiner Bettnachbarin, dass die Darstellung in den Medien nur die halbe Wahrheit ist. Sie erzählte, dass vor diesem Ereignis Menschen aus Ex-Jugoslowien (ich versuche mich gerade politisch korrekt auszudrücken) dort campierten, Mülltonnen ansteckten, Passanten beschimpften und mit Dingen bewarfen. Die Anwohner dort hatten Angst, sie trauten sich nicht mehr auf die Straße. Diese Situation spitzte sich zu. Die Wut über fehlende Hilfe und die Hilflosigkeit der Menschen entlud sich in diesen Ausschreitungen und sollte nicht den Vietnamesen gelten. Eine Sichtweise auf die Geschehnisse, die ich so noch nicht vernommen hatte.

Bei Interesse gibt es hier von der Bundeszentrale für politische Bildung einen guten Artikel zu dem Vorfall und Hintergründe:

https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/254347/rostock-lichtenhagen

Viel Glück im Jupiter-Jahr 2022

Astronomisch heißt es, der idealistische Schütze dürfte das Glückskind des Jupiter-Jahres 2022 werden, denn der Planet Jupiter ist sein persönlicher Zeichenherrscher. Gut, dass es in unserer Familie schon mal zwei Schützen gibt!

In den letzten zwei Wochen ist bei uns viel passiert. Noch immer stehen wir unter dem Einfluss des Erlebten und der Eindrücke. Körperlich bin ich okay. Doch sind wir noch sehr aufgewühlt. Wir spüren aber auch, dass es weitergeht – also nicht so wie bisher, eben anders. Die Stürme haben sich gelegt, die Schäden werden repariert und wir schauen nach vorn. Inzwischen haben wir gelernt, uns immer wieder neu aufzustellen. Die Eindrücke im Krankenhaus sind mir nahe gegangen. Und ich gelobe, weniger zu grollen – aber trotzdem weiterhin auf (soziale) Ungleichgewichte aufmerksam zu machen.

Mit ein wenig Jupiter-Glück, Gelassenheit und schlauen Entscheidungen werden wir uns auch durch die nächsten Stürme manövrieren. Das wird schon! Ich bin da ganz zuversichtlich.

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