Als ich 18 Jahre alt war, verlies ich mein Elternhaus. Es waren anfangs knapp 300 km, später lagen 800 km zwischen uns. Gerade bei diesen Entfernungen, kompensieren Freundschaften die Familie. In den 20 Jahre in München waren meine Freundlschaften auch irgendwie meine Familie. Auch wegen meinen Freunden bin ich dort angekommen und fühlte mich daheim.
Nun bin ich mit meiner kleinen Familie auch wieder in die Ferne gezogen. Klar, dichter an mein altes zu Hause, doch fingen wir vor gut einem Jahr auch wieder bei Null an. Corona hatte das Kennenlernen schwieriger gemacht. Trotzdem blieben Begegnungen nicht aus. Als Eltern sind nicht unbedingt Arbeitskollegen und Vereinsmitglieder die erste Anlaufadresse, sondern tatsächlich die Eltern der Kindergartenkinder und die Nachbarn. Das konnte ich mir nie vorstellen, doch nun machten wir diese Erfahrung.
Sommer und ein Leben so ziemlich ohne Corona, förderte doch die Kontaktbörse. Unser großer Garten wurde tatsächlich ein entspannter Ort für Besucher. Picknickdecke raus und ein Garten als riesiger Natur-Spielplatz. Optimaler konnte es für einen gechillten sonnigen Nachmittag nicht sein. So hatten wir es uns vorgestellt! Zudem hat Bad Doberan auch echt nette Spielplätze für den Fall, dass man doch mal Abwechlsung vom eigenen Grund wünscht. Und die Ostsee vor der Haustür setzt dem noch die Krone auf.


Gerade der Oktober – wettertechnisch nicht ganz so golden, wie ich ihn aus München kenne – bot auf unserem Grundstück viel Action und damit nicht nur ein Spielplatz für Kinder, sondern auch einen Baustellenspaß für groß und klein. Wir erhielten nämlich die Genehmigung, unsere riesige Blaufichte fällen zu dürfen. Keine Sorge, Nachaltigkeit wird auch hier groß geschrieben: Wir werden dafür drei Obstbäume pflanzen (müssen). Der Holzfäller mit seiner lauten Motorsäge zog auch unsere Nachbarn an. So genossen Väter mit Söhnen das Spaktakel eines umfallenden Baumes. Zudem starteten wir auch das lange aufgeschobene Projekt „Einfahrt“ nachdem inzwischen die Fahrspuren eher einem kleinen See glichen. Ein Mini-Bagger auf unserem Hof: Faszinierend, die männlichen Hormorme bei jung und alt schlagen Purzelbäume. Und so ein Sandhaufen ist eine riesige Baustelle für Kinder-Bagger und Schaufeln.

So vergingen Wochen, Baustelle für groß und klein und dazu ein geselliges Zusammensein mit Nachnarn und Kita-Bekanntschaften. Als einmal mit dem Dunkelwerden und getaner Arbeit unsere Nachbarn mit einem Brotkorb in unserem Garten standen, wir die Feuerschale anheizten und gemeinsam den ersten Glühwein genossen, wurde es mir klar: So langsam komme ich hier wirklich an. Das ist das, was mir fehlte: Gesellige Runden und die spontanen Besuche.
Freundschaften machen also doch einen großen Teil des Zuhause-Fühlens aus.
Neuer Glücksatlas veröffentlicht
Tatsächlich sind wir an solchen Tagen sehr zufrieden, ja fast glücklich, ins Bett gefallen. Gastgeber sein macht Spass. Geselliges Zusammensein macht Spass. Gute Gespräche machen Spass. Und (ernsthaftes) Interesse an anderen Menschen macht Spass. Ich glaube wirklich, diese Mischung zusammen mit einer friedlichen Kleinfamilie, Oma und Opa um die Ecke, Bekanntschaften, die sich gegenseitig helfen, haben Potential zum Ankommen und glücklich werden.

Aporopos glücklich: Der Glücksatlas wurde wieder veröffentlicht. Unschlagbar sind wieder die Schlewig-Holsteiner im Glücklichsein, doch Mecklenburg-Vorpommern holte auf! Im Ländervergleich landete MV mit einer Punktzahl von 6,6 (von 10) diesmal auf Platz 10. 2019 war es noch der 15. gewesen.
Aber die Menschen sind in MV nicht glücklicher geworden, sondern die Menschen in den anderen Bundesländern unglücklicher: Mit einem Wert von 6,76 lag die Zufriedenheit vor der Pandemie zwar noch höher, bundesweit fiel der durschnittliche Rückgang allerdings stärker aus. Der Grund dafür: Das Land habe im Vergleich zu anderen weniger junge Menschen und Familien, die besonders stark unter der Pandemie litten. Außerdem litten Geringverdiener weniger stark als Gutverdiener, was sich in MV mit seinen niedrigen Löhnen bemerkbar mache, heißt es in dem Bericht. Bei der Zufriedenheit mit dem Familienleben belegt MV den dritten und bei der Zufriedenheit mit der Freizeitgestaltung sogar den zweiten Platz, bei der Berufszufriedenheit hingegen den vorletzten. Und noch eine überwältigende Erkenntnis: Je höher die Infektionszahlen und je strikter die Maßnahmen, desto niedriger das Glücksniveau“, heißt es im Glücksatlas.
Nun ja. So schlimm kann das aber hier nicht sein. Ich habe viele Menschen aus den alten Bundesländern kennengelernt, die hier nun zu Hause sind. Und ich spüre, dass Corona einen Ruck in MV brachte. Jürgen bekommt „West-Gehalt“ gezahlt und warum? Weil wegen Corona sich die Fachkräftesituation so verhärtet hat, dass tatsächlich die Unternehmer nun reagieren müssen. Ich bin langsam zuversichtlich, dass MV auch in beruflicher Hinsicht attraktiver wird.
Und wieder (er)finden wir uns neu
Jürgen hat nun seinen neuen Job in einem Hotel in Kühlungsborn angetreten. Es macht ihm wahnsinnig Spass. Endlich wieder mit Menschen arbeiten. Und mir tut es auch gut, meine Homeoffice-Tage allein zu Hause zu verbringen. Nur müssen wir uns organisatorisch wieder neu aufstellen. Schichtdienste. Nicht gerade Familienfreundlich. Ein Wochenende im Monat. 15 km Pendlerstrecke – mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur umständlich möglich. Also Arbeitsweg mit Auto und organisatorische Meisterleistung mit einem Auto, wenn ich nach Schwerin muss und/oder unser Kind in die Kita gebracht bzw. abgeholt werden muss.
In dem Fall muss ich mal wieder sagen, dass uns die gesetzliche Verpflichtung zum Homeoffice recht entgegen kommt. Und überhaupt? Schon wieder Corona! Es nervt! Doch ich glaube, wir habens hier wieder ganz gut, aber vielleicht trügt es ja auch. Irgendwie scheint hier das Leben jedenfalls noch recht „normal“ zu sein – abgesehen von dem Mittelstand, der zwar nicht mit einem Lockdown kämpfen muss, dafür mit anderen Maßnahmen. Nur bitte, bitte Frau Schwesig: Kein Einreiseverbot mehr!
Dienstag waren wir noch auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt bevor 2g plus in Kraft trat. Es fühlte sich alles so unreal an. Weihnachtsstimmung lag nicht wirklich in der Luft. Die Händler bangen um ihr Geschäft. Doch Jürgen und mir tat so ein Tag mal gut. Für uns war es nämlich auch nicht mehr Normalität, was schönes gemeinsam zu unternehmen – als Paar.
Und nicht nur das! Wir hatten auch Momente mit blauem Himmel und Sonne – bis der Sturm einsetzte.


Ja, das Wetter verlangt mir gerade einiges ab. Die Tage mit Sonne in den letzten 6 Wochen kann man an einer Hand abzählen. Kalt, windig bis stürmisch, ungemütlich, schmuddelig. Ihr könnt euch die Auswirkungen auf die Stimmung ausmalen. Und dazu berichtet der Wetterbericht über strahlenden Sonnenschein in Bayern … Eine Frustschwelle, die nicht zu unterschätzen ist!
Ich gebe zu, vollkommene Zufriedenheit ist was anderes. Vielleicht mit ein bissel mehr Sonne und weniger Schmuddelwetter. Doch im Vergleich zu den letzten Monaten sind wir nicht mehr mit uns allein und das fühlt sich gut an!
Und nun auch noch das: Wintereinbruch Anfang Dezember! Auch wenn die Sonne noch immer fehlte, zumindest lies der Wind mal nach und die Weihnachtslieder über Schneemann bauen und Schnellballschlacht machten wirklich mal Eindruck auf ein fast vierjähriges Kind.
