Am Ende wird immer alles gut

Manchmal läuft so viel schief und dann gibt es wieder diese Momente, in denen man keinen Bock mehr auf diese Schieflage hat. Dann braucht man einfach nur einen gewissen Abstand und den passenden Blick auf die Dinge.

Und diesen Abstand hatte ich mir nun auch gegönnt. Mutter-Sohn-Urlaub in die alte Heimat, mein München. Acht Stunden allein mit einem fast vier jährigen Kind im Zug unterwegs, ist schon eine Herausforderung. Ich hatte schon Bammel davor gehabt. Doch – abgesehen von den üblichen Bahn-Problemen – lief es ganz gut. Ricardo hielt super gut durch. Die Stadt allerdings war ihm dann aber doch ein wenig zu voll, insbesondere bei der Ankunft am Hauptbahnhof zur Rush Hour. Ich glaube, wir sind tatsächlich „Dorfies“ geworden. Zwar bewegte ich mich immer noch mit einer gewissen großstädtischen Selbstverständlichkeit durch die Straßen, Busse und Bahnen, doch – wow – ziemlich voll und eng ist es schon. Ich fragte mich, ob es schon immer so war und ich es nie bemerkte, oder ob München noch voller und stressiger geworden ist.

Symbolhaft: Oktober-Vollmond. Beobachtet aus der Etage unter unserem alten Küchenfenster. Bei meiner Ankunft in Doberan vor einem Jahr erlebte ich den Oktober-Vollmond.

Stressig ist die Stadt wirklich. Ich glaube tatsächlich, dass es nicht nur an meiner neuen Wahrnehmung liegt. Sie ist gespalten. Die Menschen sind aggressiver. Entweder man ist dafür oder dagegen: Entweder man macht mit bei den Corona-Maßnahmen und weist die anderen ausdrücklich und auf eine aggressive Art und Weise auf ihr Fehlverhalten hin, oder man ist komplett dagegen (und deswegen in der Konsequenz ein Querdenker und ein Nazi). Entweder man ist für die Klimawende in allen Fassaden mit allen Maßnahmen (und in einer großen Stadt ist das Radeln oder das E-Auto eine Selbstverständlichkeit) oder man ist dagegen und fährt sein lärmendes feuerspukenden Auto zur Schau und vergisst wie Mülleiner aussehen. Ich könnte diese Liste noch beliebig fortführen.

Morgens 9 Uhr schlenderten Ricardo und ich an der Isar entlang zum Frisör. Hektisches Treiben um uns herum. (Hupende) Autos überall, Menschen, die noch schnell zum Bus laufen und Väter, die ihre Kinder auf dem Weg zum Kindergarten hinter sich herziehen … Tatsächlich, ich kenn es nicht mehr. In Bad Doberan ticken die Uhren wirklich anders, langsamer.

Doch auch das! Goldener Oktober in der Stadt …

… das Internationale … und unsere Freunde! Natürlich ist ein solcher Trip mit Kind nicht das gleiche als wenn man allein reist. Doch es klappte gut, viele frühere Wegbegleiter haben wir getroffen und die Vertrautheit war immer wieder da. Freunde eben.

Die Flucht in die Natur ist ein Kennzeichen des Münchners. Mehr denn je beliebt ist das Oberbayerische Voralpenland. So war es auch bei uns. Meine Region war diese zwischen Murnau und Kochel, südlich von München, aber noch nicht den Bergen so nahe. Moore, Seen und Weiden. Um so schöner war es, dass wir dort noch zwei Nächte bei meiner ehemaligen Kollegin verbringen durften. Auch mit einem Regentag dazwischen, konnte ich mich kaum satt sehen an dieser wunderbaren Landschaft. Ja, das habe ich vermisst!

Eine schöne Zeit und Abstand, und einiges löst sich fast von allein

Das ist es: In den Momenten, in denen es mies läuft, muss man die Füße still halten und dann, muss man die Dinge aus der Ferne betrachten. Durch unseren symbolträchtigen Urlaub (wir sind genau vor einem Jahr umgezogen) und den Gesprächen mit meinen Freunden, blickte ich auf unser neues Zuhause. Klar, ich wollte es nicht anders, ich wollte mich quälen: Besser oder schlechter, richtig oder falsch, Städterin oder Dorfie? Doch Doberan hat gar nicht so schlecht abgeschnitten. Tatsächlich war mein persönliches Fazit, es war richtig, was wir taten, und es fühlt sich gut an, eine Kleinstädterin zu sein. Eine Art innerer Frieden.

In der Zeit bekam auch Jürgen seine Zusage für einen neuen Job. Er probiert sich nun im Hotelgewerbe aus. Eine gute Zeit, arbeitslos zu sein. Jobs sind quasi garantiert. Das bedeutet auch, dass wir uns mit seinen neuen Arbeitszeiten neu organisieren müssen, doch das wird schon. Und ein wenig bekomme ich auch den Glauben zurück: Sein neuer Arbeitgeber, eine Hotelkette mit Standorten in Schleswig-Holstein und Niedersachen, hat die Gehälter der Mitarbeiter*innen in Mecklenburg-Vorpommern auf „West-Niveau“ angepasst. Wow!

Der goldene Herbst ist nun auch im Norden angekommen. Ich hatte tatsächlich das Verlangen an die See zu fahren und wollte freiwillig auf den Spielplatz nahe des Münsters. Spontan trafen wir Ricardos Kita-Freundin und ihre Mutter. Ein netter Nachmittag; jemanden treffen ist hier eben auch mit kürzeren Wegen verbunden.

Begegnungen

In Krisenzeiten hilft nicht nur Abstand, sondern man braucht auch Menschen, die einem gut tun, um sich herum. Wir sind froh, dass wir inzwischen den einen oder die andere kennen gelernt haben. Der Blick auf die neue Heimat erweitert sich.

Es gibt aber auch Menschen, die werden einfach von einer höheren Macht gesendet. Meine Oma glaubte an den Engel, der dir die guten Menschen in dein Leben schickt. So ähnlich erging es uns jetzt. Die „Freundin einer Freundin usw.“ hat einen Lebensgefährten, der nicht nur das Arbeiten mit Holz liebt, sondern – noch besser – alten Häuser mit Geschick und Handarbeit und Freude wieder neuen Glanz verleiht. Sie und er haben sich in unser Haus verliebt und wollen mit uns gemeinsam Türen und Fenster wieder zum Leuchten bringen – ohne Austausch, nur Restaurierung. Sie waren die letzten Tage bei uns zur Vorbesprechung und im Januar geht’s los. Wir werden mit ihrer Hilfe die Leidenschaft fürs Holz entdecken. Zumal man bei dem Fachkräftemangel auch praktisch dazu gezwungen wird, sich mehr mit dem Phänomen DIY (Do it yourself) auseinanderzusetzen.

Natürlich freuen wir uns, dass wir jemanden haben, der sich unserer Fenster annimmt. Doch ist es mehr: Das Feuer der Beiden kam zum richtigen Zeitpunkt. Jürgen und ich waren müde. Wir drehten uns im Kreis und wussten nicht mehr, welcher der nächsten Schritte am sinnvollsten ist. Von unserem ursprünglichen Elan war noch wenig bis fast nichts übrig. In dieser Zeit kommen zwei Menschen „daher“, die wir kaum kannten, doch die Chemie von Anfang an stimmte, und uns einfach mit ihrem Feuer ansteckten. Was ist das? Schicksal? Auf jeden Fall eine Begegnung, die zum richtigen Zeitpunkt kam.

Heute kam noch unser Energieexperte vorbei, der im Übrigen die gleiche Leidenschaft für unser Haus versprüht. Es wurde noch mal von Experten mit fachmännischen Blick begutachtet. Gut, hier und da ist ein Balken locker und/oder morsch, im Dachstuhl ist der Holzbock drin und das eine und andere Fenster ist ein wenig mehr mitgenommen, doch allem in allem … alles nicht so wild! Kriegen wir alles hin! Was für eine Zuversicht! Ehrlich gesagt, war ich tatsächlich das erste Mal am Zweifeln, ob es überhaupt Sinn macht, so wahnsinnig viel Geld in ein Haus zu stecken – zumal vor zwei Wochen noch jemand bei uns einbrechen wollte. Doch nach den letzten Tagen hat meine Zuversicht wieder zugenommen. Ich glaube, wir brauchten diesen Energieschub von außerhalb.

Schau ma moi dann seng mas scho!

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