Die Gegend ist uns so vertraut und immer wieder bezaubernd und abwechslungsreich: Die südliche Oberlausitz, präziser das Zittauer Gebirge. Die Oberlausitz ist ja inzwischen bekannt für Städte wie Görlitz oder Bautzen. Die südliche Oberlausitz hingegen weniger. Viele meiner Freunde, die ich dorthin entführte, dachten bei Dresden hört Deutschland auf, aber nicht doch … es geht noch gute 100 km weiter!
Meine Familie mütterlicherseits kommt aus dieser Ecke. Meine Oma hatte es dann wegen der Liebe in den Norden verschlagen… Konkret: In das Haus meiner Urgroßeltern und heute unsers.
Jedes Jahr Ostern machten wir unser Familientreffen in Großschönau im Zittauer Gebirge. Wegen Corona fiel nun fast 2 Jahre ein Kurzurlaub dorthin aus. Mangels eines Flughafens vor der Haustür (Pluspunkt für München) und wegen den Corona-Reisebestimmungen, worauf wir keinen Nerv hatten, entschieden wir uns, unseren Mini-Sommerurlaub dieses Jahr im Zittauer Gebirge zu verbringen. Und ein wenig Sehnsucht hatte ich tatsächlich auch. Außerdem kann die Gegend vollkommen mit anderen Touri-Zielen mithalten. So mieteten wir uns in einer Ferienwohnung in Großschönau ein. Seltsamer und ungewohnter Weise genossen wir dort ein Leben ohne Maske (selbst beim Einkaufen), Coronabedingte Abstände waren dort recht einfach einzuhalten.
Die Gegend um das Zittauer Gebirge, das in Tschechien an Nordböhmen und dem Lausitzer Gebirge grenzt, war vor den Kriegen und dem Sozialismus sehr reich. Mit Tuch und Stoff wurde hier das Geld verdient. Großschönau war dabei als Damast- und Frottierweberei ein bedeutender Textilstandort (heute haben da die DDR-Marke Frottana und Möwe ihre Produktionsstätte). Viele anmutige Villen und alte (viele nun leer stehende) Fabrikgebäude zeugen von dem Reichtum und Wohlstand. In Gedanken sehe ich immer ausgebaute Loft-Wohnungen vor mir. Doch besonders interessant und sehr besonders für diese Region sind die sogenannten Umgebindehäuser. Gerade in Großschönau und dessen Nachbarorte sind diese für die Region typischen Häuser besonders oft anzutreffen. Wir hatten Glück, denn unsere Ferienwohnung war ein restauriertes Umgebindehaus, also wahnsinnig charmant und irgendwie urig.

Umgebindehäuser sind Häuser, in denen früher die Weber arbeiteten und lebten. Charakteristisch für Umgebindehäuser ist eine hölzerne Stützkonstruktion (die Bögen im Erdgeschoss), die eigenständig vor den Wänden der Blockstuben (Wohnbereich) stehen. Die Bögen tragen das Obergeschoss und das Doch. So konnte die Familie schlafen, während im anderen Bereich des Hauses gearbeitet und so die Vibrationen der Webstühle abgefangen wurden.
Wandern, entdecken, lecker essen
Viel zu kurz war die Zeit. Man kann so viel machen und es gibt so viel zu entdecken. Natürlich waren wir viel wandern. Das macht jeder, der dorthin fährt. Es macht ja auch Spaß, weil die Landschaft mit ihren Felsen- und Gesteinsformationen immer neue Geschichten erzählt. Das Zittauer Gebirge besteht aus einem Granitmassiv, auf dem sich in der Kreidezeit mehrere hundert Meter Sandschichten ablagerten. Durch Druck und chemische Prozesse verfestigten sich diese zu Sandstein. Wind und Wetter formten die heute zu bestaunenden Sandsteinformationen.
Erstaunlicherweise entdeckten wir in unserem Kind ein Wander- und Kletterkind. Gut, berghoch laufen ist nicht so sein Ding (meins auch nicht), aber wenn er bereits oben ist und auf Felsen eine Aussichtplattform zu erklettern (mittels einer Stahltreppe) gibt, ist er wahrlich gut dabei.
Gesteinsgebilde „Brütende Henne“ auf dem Töpfer. Dort kann man mit einer Bahn hoch fahren. Die „Böhmische Aussicht“ auf Nordböhmen vom Töpfer aus. Aussicht von der Aussichtsplattform vom Scharfenstein. Aussichtsplattform auf den Nonnenfelsen in Jonsdorf. Von jedem Berg eine gigantische Aussicht und viel Stein. Das „Schwarze Loch“, das Schaubergwerk in der Jonsdorfer Felsenstadt.
Wir haben bei weitem nicht alles gesehen und machen können. Für uns war es natürlich neu, dass nun ein dreijähriges Kind dabei ist und wir uns auch auf seine Bedürfnisse einstellen. Wahrscheinlich sind das immer dieselben Herausforderungen von jungen Eltern. So suchten wir leichte und kurze Touren aus. Wir waren auch baden und Ricardo spielte viel auf dem Hof der Ferienwohnung, das allein schon ein kleines Kinderparadies war. Ein großer Pluspunkt für die Gegend ist auch die Nähe zu Tschechen. Fast jeden Tag waren wir dort essen. Gute böhmische Küche – und günstiger oberndrein. Man kann auch wunderbar „rüber“ wandern.
Was mich außerdem sehr erstaunte, war die Freundlichkeit unserer Ferienwohnungsnachbarn. Corona hat uns fast zwei Jahre ziemlich aus dem sozialen Leben heraus gerissen. Demnach hatte ich nur spärliche Erfahrungen mit anderen (fremden) Familien mit Kindern. Grundsätzlich hatte ich mich auch immer darum gedrückt. Die Erfahrung mit einigen „München-Müttern“ bzw. „München-Sendling-Müttern“ hatte mir gereicht und ich war nicht erpicht darauf, andere Familien kennenzulernen. Doch die paar Tage auf dem Hof des Umgebindehauses waren fast schon erquickend und gesellig. Es gibt also auch ganz normale Eltern (grins).
Eingeschobener Zwischenstopp in Bautzen
Eigentlich hatten wir Lust noch länger zu bleiben. Nachbuchen konnten wir nicht. Die Wohnung war wieder belegt. So entschieden wir uns spontan noch eine Nacht in Bautzen zu bleiben, bevor wir Ricardo zu den Großeltern auf den Campingplatz in die Nähe von Görlitz bringen. Ein wenig beeinflusst war die Entscheidung auch von unserem Versprechen, dass wir den Dinosaurierpark in der Nähe besuchen (Übrigens, auch wenn man nicht so Freizeitparks mag wie ich, der Dinosaurierpark ist wirklich nett gemacht).
Blick auf Bautzen. Blick von der Ortenburg auf Bautzen Kurz-Sightseeing durch Bautzen.
Bautzen ist faszinierend – nicht nur architektonisch mit seinen mittelalterlichen Gebäuden und Flair, sondern auch kulturell. Das Sorbische ist immer präsent, ob auf Straßenschildern und Wegweisern, beim Museums- oder Theaterbesuch oder auf Werbebannern mit der Aufschrift „Ich mag sorbisch“. Die Sorben sind ein westslawisches Volk, das in der Lausitz zu Hause ist. In Sachsen leben die Obersorben, in Brandenburg die Niedersorben bzw. die Wenden. Die kulturellen Zentren sind Bautzen und Cottbus. Die Sorben sind eine nationale ethnische Minderheit ohne eigenen Staat, ohne Mutterland oder gar Autonomiegebiete.
Für meine Familie hat Bautzen noch eine andere Seite: Dort stand zu DDR-Zeiten das größte Stasi-Gefängnis, also in dem politische Gefangene untergebracht worden sind. Nun ist es eine Gedenkstätte, die bei einem Besuch in Bautzen nicht ausgelassen werden sollte. Mein Opa, in dessen Haus wir nun leben, hat dort mehrere Jahre eingesessen. Eine Vergangenheit, über die in unserer Familie zu Opas Lebzeiten nicht gesprochen wurde. Daher wissen wir nur Bruchteile über das, was damals wirklich passierte.
Wieder zuhause und das Haus hat uns wieder
Nun darf Ricardo noch eine Woche Urlaub bei den Großeltern machen. Na mal schauen, für wen es am Ende mehr Erholung ist…

Wir hatten überlegt, ob wir zu Jürgens Geburtstag noch in einer Stadt absteigen, um mal zu Feiern wie es kinderlose Erwachsene eben tun. Doch wir erwärmten uns für die (Strand)Bars in Warnemünde, denn irgendwie spürten wir, wie unser Haus nach uns rief: Wir sollten uns doch wieder mehr darum kümmern… Nun ja, bietet sich ja an. So üben wir uns gerade im Balanceakt, unsere Urlaubs-Ausgeglichenheit zu erhalten und im Chill-Modus an den Baustellen weiter zuarbeiten. Ich bin ganz zufrieden mit dem Kompromiss, vor allem weil es Arbeiten sind, die man so und so nicht sieht, z.B. den Bauschutt aus dem Keller entsorgen.
Entsorgung des Bauschutts im Keller Unsere Toilette im Treppenhaus ist fast fertig (zumindest nutzbar) und befindet sich im Gestaltungsmodus.
Alles Gute zum Geburtstag!
Wow, also das ist ja mal eine tolle Toilette! Ist das noch Bedürfnisanstalt oder schon Atelier? Da vergisst man ja direkt den Grund des Erscheinens. 🙂
Von hier aus jedenfalls ein großes Lob, ich bin neidisch. (bei uns hat sich der Vorbesitzer zwar Mühe gegeben, aber mehr als zweckdienlich und atomschlagsicher ist es meist doch nicht geworden. Männer-Haushalt eben, da fehlt wohl hin und wieder eine liebevoll gestaltende Frauenhand – und ich rede jetzt nicht nur von Badezimmern! 🙂 )
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