Ein bissel Normalität

Es gibt Zeiten, da freut man sich über Dinge, die mal ganz normal erschienen. Die Rede ist nicht von großen Reisen oder wilden Partys, sondern von einem Besuch im Zoo. Die Tierparks sind wieder geöffnet! Oder jetzt nicht mehr? Ich habe den Überblick verloren. Auf jeden Fall startete die letzte Woche mit Sonne und vielen anderen Ausflüglern, die die gleiche Idee hatten. Wir haben sogar Glühwein (es war noch ein wenig kühler als heute) getrunken. Ich glaube, das durften wir aber auch nur, weil wir im Rostocker Zoo waren und bekannterweise Rostock als Corona-Vorzeige-Stadt gilt.

Die Eisbären im Rostocker Zoo.

Es ist gerade mal eine Woche her, aber die Erinnerung verblast schon wieder. Überschattet wurde dieser Hauch von Normalität durch die Corona-Oster-Beschlüsse. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich denken soll. Jedes Jahr fahren wir zu Ostern in die Oberlausitz. Das liegt aber nicht daran, dass ich ein sonderliches Gewohnheits-Reisetier bin. Meine Großtante lebte dort und wir hatten diese Familientradition. Davon abgesehen, fahrt mal in die Oberlausitz! Es ist traumhaft dort! Jedenfalls scheint diese Normalität der Vergangenheit anzugehören.

Was ist das mit dieser „neuen Normalität“?

Es ist schon verwirrend, alle Welt redet von der „neuen Normalität“. Heißt das jetzt, dass der Ausnahmezustand zum Alltag geworden und nun normal ist? Wird das nun immer so bleiben? Oder wann wird die alte Normalität wieder normal? Oder wird es nie mehr so sein wie früher?

In der neuen Normalität schwingt so ein Negativ-Tatsch mit. Wirklich verwirrend. So negativ ist ja eigentlich alles in der neuen Normalität gar nicht. Die digitalen Ausweich-Konzepte machen Digitalisierung und Homeoffice und Videokonferenzen notwendig und auch salonfähig. Ohne diese Entwicklung hätte ich niemals meinen Job antreten können. Die Notwendigkeit von Glasfasern wurde doch tatsächlich mal entdeckt und wird emsig überall verlegt (wir sind leider erst nächsten Sommer dran).

Aber beinhaltet die neue Normalität auch, dass Freunde sich nur noch digital sehen können? Nie wieder mehr als zwei Haushalte, die sich treffen können? Nie wieder wilde Partys (Bin ich froh, dass es Corona nicht schon 20 Jahre früher zu uns schaffte.)? Urlaube sind nicht mehr planbar? Das Bildungsniveau unserer Jugend sinkt rapide, weil die staatlichen Institutionen Schulbildung weder digital noch in Präsenz qualitativ vermitteln können? Heißt neue Normalität auch, dass Menschen einsamer werden?

Die neue Normalität verwirrt mich. Ich kann mich nicht entscheiden, wie ich das alles finden soll. Ich sorge mich um die Zukunft dieser neuen Normalität – für unsere Gesellschaft, aber auch für uns selbst. Jürgen wird sich bald eine neuen Job suchen müssen. Wir sind uns nicht sicher, ob sein Arbeitgeber durchhalten wird. Bauen wird teurer; das spüren wir jetzt schon. Alles wird teurer! Werden wir einen Kredit bekommen?

Unsere neue Normalität

Die Fragen in meinem Kopf mehren sich mit jeder Ministerpräsidentenkonferenz. Abgesehen von dem vielen Glück, was wir bisher hatten, und der Digitalisierung mit der Aussicht auf Glasfasern, kann ich mich mit dieser neuen Normalität noch nicht anfreunden. Wahrscheinlich muss man wirklich wieder mehr auf das eigene Nest und seine engsten Liebsten schauen. Wir machen das ja zwangsläufig. Und so stellt sich irgendwie „unsere Normalität“ ein.

„Unsere Normalität“ dreht sich derzeit nur um die Umbauarbeiten vom Haus und der Alltag drumherum. Ausflüge machen und die Gegend kennenlernen. Ricardo zu den Großeltern bringen und als Paar mal Luft schnappen. Neuer Job, neue wenige Menschen um uns herum.

So hatten wir sogar Besuch. Kleine Highlights in unserer Normalität. Es war der Energieexperte und wir besprachen unseren Sanierungsfahrplan. Inzwischen hat mich ja die Realität eingeholt und mich schockt nichts mehr. Aber die Kosten sind „überschaubar“, zwar nicht im Sinne von wenig, dafür aber gut kalkulierbar. Erwartungsgemäß werden unsere (nicht Din genormten) 60 Fenster und der Kellerfußboden ein Kleines Vermögen verschlingen, daneben sind Heizung und Wanddämmung Peanuts … Bald also dürfen wir Banken-Klinken putzen gehen.

Dennoch erfüllt mich unser Haus mit Stolz. Der Experte, der nun schon wirklich viele alte Häuser gesehen hat, lief durch unser Haus und entdeckte immer mehr wunderbare kleine alte Details, ob es nun die alten Holz-Türklinken sind oder die entzückenden Fliesen auf dem Kellerfußboden, die nur durch einen Fachmann gerettet werden können. Spannend auch, wenn man in die Architektur eintaucht. Die Erbauer haben sich echt was gedacht und auch energetisch natürliche Elemente (mit)bedacht. So sind Kastenfenster energetisch gesehen, das cleverstes Dämmungsmittel bei den dicken Wänden. Oder die Loggia, die wurde natürlich auch nicht ohne Grund im Südwesten vom Haus erreichtet.

Spannend. So ein wenig macht es ja schon Spaß. Allerdings hatte ich noch ein kleine Illusion, die aber auch zerstört wurde: ich hatte gehofft, wir könnten nächstes Jahr fertig sein …

Unterwegs wie die Zugvögel

Unsere alte Normalität ist auch Umzugsbedingt vorbei. So versuchen wir uns auf unsere neue Region zu konzentrieren. Wenn man neu irgendwo ist, betrachtet man das Neue viel intensiver. Was ich als Tourist oder auf Verwandtschaftsbesuch wahrnahm, verschwand schnell wieder im hintersten Eck. Nun achte ich auf alles: Menschen, Tiere, Natur. Verstärkt zeichnen sich auch schon die ersten Lieblingsziele ab.

Diese Jahreszeit hat besonders viel Charme. Die Zugvögel kommen zurück. Und viele rasten in Mecklenburg-Vorpommern, bevor sie nach Skandinavien weiterziehen! Ein faszinierendes Schauspiel. Am Himmel sind ihre Formationsflüge zu sehen und das Geschnattere, als ob sie sich gegenseitig anfeuern, zu hören. Man fragt sich, wo sie wohl hinfliegen und bewundert diese cleveren V-Formationen, wie sie ihren Flug mit der Luftdynamik perfektionieren.

Bei mir macht sich dann Fernweh breit. Doch auf der Couch sitzen wir auch nicht. Als wir Samstag Ricardo von den Großeltern abholten, wählten wir einen Weg übers Land. Wir fuhren über Güstrow und tangierten einen Teil der Mecklenburgischen Seenplatte. Ein wunderschönes Land! Und mir wurde mal wieder bewusst: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nahe liegt?

Ein spektakuläres Schauspiel bieten derzeit besondere Zugvögel: Die Kraniche! Ich kann es nicht beschreiben, man muss sie gesehen haben. Auch wenn die großen Rastplätze eher auf Rügen und Darß/Zingst zu finden sind, bei uns sind sie auch zu beobachten. Majestätisch strahlen sie eine unsagbare Ruhe aus.

Der Zug der Kraniche
Du siehst sie nicht,
doch du hörst sie,
ihr Schreien bringt Jahreszeiten,
sie sind Künder und Mahner,
zweimal im Jahr
ziehen sie in Formation
ihren Weg am Himmel,
faszinieren die Menschen,
unüberhörbar,
sichtbar im vollendeter Keilform
nehmen sie unsere Sehnsucht mit
auf die Reise in die Ferne,
und unsere Träume erfüllen sich
in der Magie ihres Fluges,
sie verheißen den Frühling,
sie verabschieden den Sommer,
ich möchte mit ihnen ziehen,
bis in die Unendlichkeit…
immer wieder Faszination,
wenn sie kommen
und wenn sie uns verlassen…
(Fritz Rubin)

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