Winterschlaf? Hatte ich was vom Winterschlaf im letzten Blog geschrieben? Das änderte sich schnell, als am Wochenende meine Eltern vor der Tür standen. Das bedeutete nämlich Arbeitseinsatz im Garten – trotz Schnee. Aber das machte nichts. Wir hatten Sonne und mit Sonne geht alles besser.
Unseren Brombeerhecken hatten wir so und so schon den Kampf angesagt. Und siehe da: Gute 20 qm haben wir uns an zwei halbtäglichen Arbeitseinsätzen zurück erobert. Oh, unser Garten ist ja wirklich richtig groß. Was man damit alles anfangen kann. Klar, Ricardos Spielhaus sowieso. Aber vielleicht noch einen Pool? Eine Party-Arena? Eine Outdoor-Sauna? Ach, unsere (verträumten) Pläne sind phänomenal. Aber hallo Realität! Schritt für Schritt. Später vielleicht irgendwann mal …
vorher nachher
Aber wir hatten nicht nur gearbeitet letztes Wochenende. Wir haben auch Fasching gefeiert mit einer Liveschaltung nach München. Das Lustige ist, ich war nie der große Faschings-Fan, aber im kleinen Rahmen hat es Spaß gemacht und Ricardo kennt nun das Wort: Party! Schon komisch, Corona macht es möglich, dass sich alle Welt online trifft und unterhält. Nun ja, viel mehr lässt Corona die Berührungsängste mit dieser Art der Kommunikation fallen. Ich frage mich schon manchmal, ob ich mit meinen Freunden aus München auch ohne Corona online so verbunden wäre. Wie auch immer, es ist schön so.
Wir haben aber noch mehr schöne Dinge erlebt. Das Wetter war brillant – wahrscheinlich überall. Es war so richtig Winter. Paar Tage später: unvorstellbar. Diesmal wählten wir als Ausflugsziel Rerik, knapp 20 km von uns entfernt und genossen einen wunderschönen Wintertag. Rerik ist ein idyllisches Fischerdorf, das eine Reise wert ist.
Unser Winter-Wochenende war aber noch nicht zu Ende: Am Sonntag schlenderten wir bei noch mal schönerem Wetter durch den IGA Park in Rostock. Wir waren begeistert. Der Olympiapark in München ist schon toll, aber der IGA Park toppt es. Gut, vielleicht waren wir auch im wahrsten Sinne des Wortes vom strahlenden Wetter geblendet, aber der Tag tat gut.
Es war ein schönes Winter-Wochenende und irgendwie erwische ich mich dabei, dass ich die Coronazeit als stressfrei empfinde. Wahrscheinlich hängt das auch mit unserem neuen Zuhause zusammen. Doch dadurch, dass man wegen Corona nicht viel machen und reisen kann, nimmt es mir in gewisser Hinsicht meine Rastlosigkeit. Es macht Spaß nach einem Arbeitstag noch etwas im Garten zu machen … etwas, das ich nie in unserer Wohnung im vierten Stock mit Mini-Balkon in München gesagt oder überhaupt mir hätte vorstellen können. Nun ja, wir warten mal Ostern ab … alter Tradition folgend beginnt spätestens Ostern meine Reisezeit und -lust.
Auf historischer Mission
Unglaublich, wenige Tage später erinnern nur noch hier und da paar Schneereste an Winter. Unsere Einfahrt ist voller Matsch und schreit danach, befestigt zu werden (ToDo, wenn die Nest- und Brutzeit beginnt!). Nun ist der Winterschlaf endgültig vorbei. Wir sind wieder voller Haus-Aktivität.
Meine Mutter und ich hatten gestern einen Termin im Liegenschaftsamt (das Wort muss man sich mal im Munde zergehen lassen … „Liegenschaft“ …sehr deutsch, oder?). Wir nahmen Einsicht in die historische Hausakte unseres Hauses. Oh Mann, war das spannend. 1895 (also nicht 1894) von Heinrich Nieske, dem regionalen Star-Architekt, erbaut, das erzählte ich ja schon. In den ersten 20 Jahren wurde es verkauft und zurück gekauft und wieder verkauft. 1899 hatte das Haus ein Wert von 28.000 Goldmark. Das wären heute knapp 500.000 Euro, wobei man auch bedenken muss, dass ein normaler Mensch für 6 Goldmark arbeiten ging.
Die dann langjährige Eigentümerin, genannt „die Rittmeisterin“, war nach der Inflation so verschuldet, dass meine Ur-Großeltern, die Gemüsehändler, 1937 sie von der Bürde Haus erlösten und einer Zwangsversteigerung zuvor kamen. In einem Dokument wurde mein Ur-Großvater als „Herr Kaufmann“ bezeichnet. Ja ja, er war nicht nur ein Gemüsehändler, der aus unerfindlichen Gründen die Inflation gut überstand und sich ein Haus von 180.000 Reichsmark leisten konnte. Er muss ein schlauer Geld-Fuchs gewesen sein.
Ich bin gerade ein wenig zwiegespalten: Ihnen verdanke ich, dass ich nun mit meiner Familie hier sein darf. Dass wir ein wunderschönes (aber sanierungsbedürftiges) Haus haben, das nur unserer Familie (also meiner Oma und meiner Mutter und dann mir und dann Ricardo) gehört, doch waren meine Ur-Großeltern keine netten Menschen und waren sehr verbiestert zu anderen. Aber da mir die persönlichen Erinnerungen fehlen und die wenigen Bilder, die es von mir und ihnen gibt, nichts böses ausstrahlen, habe ich beschlossen, dass ich mich einfach freue, durch sie ein so charismatisches und charmantes Haus zu haben.
Dreiviertel der Akte war in althochdeutsch geschrieben. Wir hatten kaum eine Chance, die amtlichen Schriftstücke, unterzeichnet durch den „Herrn Magistrat“, zu entziffern. Interessant wird es, wenn wir jemanden gefunden haben, der das alte geschriebene Hochdeutsch noch lesen kann. Doch einiges konnten wir enträtseln. So wissen wir auch, dass das Grundstück eine alte Büdnerei war.
Dazu Wikipedia: „Die ursprünglichen Büdnereien wurden in der überlieferten Form eines norddeutschen Fachhallendach gebaut. Anders als Bauernhöfe waren sie wegen des kleineren Wirtschaftsteils von annähernd quadratischem Grundriss. Meistens wurden sie als Fachwerkhaus erbaut, in dem die Zwischenräume mit einem Lehm-Stroh-Gemisch ausgefüllt wurden. Waren die Bewohner wohlhabend, wurden auch Backsteine verwendet und die Oberfläche verputzt. “ Allerdings verstehe ich nicht, wenn sich ein für die Zeit bedeutender und gut bürgerlicher Architekt (Heinrich Nieske) ein Haus baut, was es mit einem Büdner (= ein Besitzer eines kleinen ländlichen Anwesens in Norddeutschland) zu tun hat. Mehr Fragezeichen als zuvor. Aber ich werde es herausfinden!
Nun haben wir das nächste Wochenende vor uns. Wir werden uns weiter unseren Brombeerhecken widmen und Gartenland zurück erobern.

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!
(Eduard Mörike)