So, nun ist es endgültig soweit. Dieser Tag konnte nicht weiter aufgeschoben werden. Wir haben aber alles gemacht, um ihn so angenehm wie möglich zu gestalten: Wir haben (hoffentlich) gut geplant und sind organisiert, wir haben gefeiert und haben in den letzten Tagen eine kleine Abschiedstournee hingelegt.
Heute aber war der Tag da: Abschiednehmen von einem langen Kapitel im Leben. Abschied nehmen von Freunden und München, eine Stadt, die sich sehr verändert hat, ich aber dennoch sehr liebe.
Ich habe schlecht geschlafen, heute morgen keinen Hunger gehabt. Ich fühlte mich, als ob ich zu einer Prüfung muss. Und irgendwie ist es ja schon eine Prüfung, nur bezweifle ich, dass man eine zweite Chance bekommt, wenn man durchfällt. Mein Mann, Jürgen, brachte mich zum Zug. Manue, eine ehemalige Kollegin, kam noch zum Verabschieden und ich bekam ein kleines Survivalpaket für die Fahrt.
Und dann fuhr der Zug los. Ich war ganz tapfer, aber schon recht sentimental mit so einem one way ticket.
Unser Sohn, Ricardo, wurde bereits letztes Wochenende von den Großeltern abgeholt. Ob er was von unserem großen Vorhaben mitbekam, wissen wir nicht. Er war nur verwundert, dass Papa im Sommer so oft und solange weg war. Er renovierte in Bad Doberan unsere Wohnung, damit sie zumindest einzugsfertig ist. Dann verschwanden auch einige Schränke. Und ihm wurde was erzählt, dass er ein neues Zimmer bekäme.
Für ein fast dreijähriges Kind war es wahrscheinlich ein großes Fragezeichen, was da passiert.
Nachdem Ricardo weg war, ging am Montag das große Packen los. Juliane und Mariann halfen. Oh Mann, ruckzuck waren unsere Umzugskartons voll und die Wohnung leerte sich. Der Prosecco nebenher half, die aufkommende Wehmut zu betäuben.
Abends kamen noch paar Freunde vorbei. Wir mussten ja unsere alkoholischen Reserven vernichten.
Gestern waren wir noch mit unseren Nachbarn bei unserem Stamm-Griechen. Er hat Ricardo vermisst. Dank der Münchner Coronabedingten Sperrstunde konnten wir auch nicht versacken. Übrigens haben … ähm hatten … wir ganz tolle Nachbarn: wahnsinnig zuverlässig und hilfsbereit und für alle Schandtaten bereit. Allerdings wurde seit wir sie kennen auch unser Bestand an alkoholischen Getränken kontinuierlich aufgefüllt.
Apropos, unsere Abschiedsfeier fand ganz symbolträchtig am 3. Oktober statt. Gut abgepasst: In München wurden zu dem Zeitpunkt die Coronabedingten Maßnahmen wieder ein wenig gelockert (und übrigens danach wieder angezogen). Allerdings war die Feier so schön, dass wir tatsächlich für einen Moment unsere Pläne infrage stellten. Als Gastgeber schauten wir auf unsere Gäste und waren glücklich: So viele tolle Freundschaften festigten sich in Laufe der Zeit. Aber in der digitalen Welt ist ja das In Kontakt bleiben ein wenig einfacher. Und wir ziehen ja nicht irgendwohin, wir ziehen ja an die Ostseeküste – optimal zum Urlaub machen.
Es sind aber nicht nur die Freundschaften, die wir zurück lassen. Es ist auch ein wenig Bammel vor der Zukunft: Wen werden wir treffen? Wo und welchen Job finde ich (Jürgen wird dann im Homeoffice sein)? Werden wir uns vielleicht finanziell doch ein wenig übernehmen (wir hatten nie das Ziel, Hausbesitzer zu sein, demnach sind unsere Ersparnisse recht überschaubar)? Wie wird es sich anfühlen, nach 20 Jahren Münchner Sozialisierung wieder in ein ostdeutsches Flächenland und obendrein in eine Kleinstadt zu ziehen? Wo bekommen wir unser Augustiner Helles her? Wird sich Ricardo gut einleben?
Ich muss aber sagen, unsere Hirngespinste im Kopf machen auch Spaß und neugierig auf das Neue. Angefangen von einer kleinen Pension über ein Tiny House in unserem Garten bis hin zu einem Stehausschank ist alles an Ideen dabei. So ein Neustart fühlt sich auch gut an, man hat die Möglichkeit, das Leben wieder aktiv zu gestalten, mit verkrusteten Alltagsstrukturen zu brechen.
Aber das Alles packen wir an, wenn die nächsten Tage überstanden sind. Jürgen ist noch in München und muss die Wohnung räumen und Übergabefertig machen. Morgen kommt der Umzugswagen. Ich bange schon, ob wirklich alles ins Auto passt. Ich hoffe, die Umzugsmenschen bekommen alles mit. Zwar habe ich schon einiges ausgemistet, aber es gibt noch immer so vieles, von dem man sich nicht trennen mag.
Wir werden sehen … morgen!
Schön, Lydia, hast Du das alles verfasst!
Euer großes Dorf Minga wird Euch nicht vergessen und die Kleinstadt Bad Doberan wird Euch mit offenen Armen Willkommen heißen!
Wir werden uns wiedersehen! 😘
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