Wieder dahoam in Minga

Nach einem halben Jahr im Norden hielt mich nichts mehr: Ich musste raus und ich musste nach München. Das Bedürfnis war inzwischen so groß, dass ich ohne viel Vorbereitungszeit Donnerstag im Zug nach München saß. So sagte ich meinen ausgemachte Friseurtermin ab und rief meinen alten vertrauten Friseur (und gleichzeitig meine beste Freundin) für einen neuen Termin an. Das war wahrlich der teuerste Friseurbesuch, den ich je hatte, aber auch einer der schönsten.

Allein schon auf die Zugfahrt freute ich mich. Acht Stunden nur für mich. Lesen, schlafen und Recherchen im Internet, alles für das ich kaum Zeit habe. Die Maskenpflicht ist schon sehr nervig im Zug sowie auch Mitfahrer, die am liebsten mit offenen Türen fahren würden wollen, damit der möglicherweise mitfahrende Virus, raus gezogen wird. Und weil die Viren besonders den Alkohol mögen und damit auch keine ausschweifenden Corona-Partys stattfinden können, gibt’s zudem noch ein Alkoholverbot im ganzen Zug. Dennoch … meine Vorfreude war kaum zu bändigen.

Und als ich dann endlich in München einfuhr, war es schon da: Das Gefühl von Zu-Hause-sein. Ich fühlte mich, als ob ich ganz normal von einer Dienstreise zurück kam. Das alte Bild um den Münchner Hauptbahnhof ist noch immer das selbe: Geschäftige Menschen, bettelnde Leute und Baustellen.

Ich wohnte die paar Tage bei einer Freundin nahe dem Viktualienmarkt – einer meiner liebsten Orte in München. Schon allein durch den Biergarten, der unter anderen Umständen eine Menge an Menschen empfangen würde, wird dort Vielfalt und Toleranz gelebt: Der Tourist neben dem Einheimischen in Tracht, der Ein-Helles-zum-Feierabend-Trinkende neben Schaulaufenden Schickerias, ganz normale Menschen und der Duft der Gewürzmischungen in der Luft. Der Viktualienmarkt ist einzigartig und ein Lebensgefühl für sich. Wie oft standen wir dort am Stehtischl und haben unser Helles in der Sonne genossen und dem bunten Treiben zugeschaut? Dort waren wir oft zu finden.

Und so saugte ich zwei Tage bei traumhaftem Sonnenschein und blauem Himmel den Flair vom Viktualienmarkt ein. Aber nicht nur ich, die Stadt war außer Rand und Band. Isar, Gärtnerplatz, Viktualienmarkt … alle Orte waren voll von Menschen, die einfach nur draußen in Geselligkeit sein und „ganz normal“ ihren Drink genießen wollten – eigentlich ein vertrautes Bild aus den letzten Sommer. Nur mit dem traurigen Unterschied, dass Wirtschaften und Cafes geschlossen bleiben müssen und die Plätze übersät von Plastik-to-go-Aperol-Spritz-Bechern waren. Ein skurriles und absurdes Spiegelbild über die derzeitige Situation in unserer Gesellschaft.

Natürlich traf ich auch Freunde. Es war so wunderbar, viele Freunde wieder zusehen (Mia culpa an alle, die ich in so kurzer Zeit und unter Corona-Auflagen nicht treffen konnte) und dann geht man einfach in eine „normale Gemütlichkeit“ über als ob wir uns gerade erst letzte Woche getroffen hätten.

Das ist Zuhause und das ist Heimat und es ist das, was ich in meinem neuen Zuhause sehr vermisse. Das Boarische Wikipedia versteht Heimat so: Hoamat (dt. Heimat) is im engan Sinn de vadraude Umgewung, wo ma einegeboan woan is, wo ma si sicha und woih fuiht. Im weidan Sinn vastähd ma unta Hoamat de Umgewung, wo ma grod dahoam is.“ … die vertraute Umgebung, wo man sich wohl fühlt und gerade daheim ist … Natürlich, nach einem halben Jahr, kann man nun wahrlich nicht verlangen, dass man einen Freundeskreis um sich herum aufgebaut hat und angekommen, also daheim, ist. Und Lockdown und verschärfte Vorschriften machen es auch nicht einfacher. Ich bin mir auch sicher, dass auch hier irgendwann dieser Punkt kommen wird, an dem wir mit Freunden und Nachbarn in unserem Garten sitzen und grillen werden. Dennoch habe ich dieses Ankommen mit meiner Ungeduld ziemlich unterschätzt.

Nichtsdestotrotz fühle ich mich auch in Doberan wohl. Es ist nur so komplett anders in allem als München. Und viele, die umgezogen sind, sagen, dass sie lange brauchten um Anzukommen. So beschließe ich jetzt für mich, dass ich eben zwei Zuhause habe.

Jedenfalls war der Trip schön und ich nehme mir vor, dass ich nun besser planen (spontanes Zugfahren ist wahnsinnig teuer) und mir alle drei Monate mein zweites Zuhause gönnen werde. Und auch Ricardo als Münchner Kindl sollte auch einen Bezug zu seiner Geburtsstadt haben, hatte ich mir während meines Aufenthaltes überlegt.

Ich freue mich sehr, dass mir mein lieber Mann meine kleinen Auszeiten immer ermöglicht und daheim den Männerhaushalt schmeißt. Ich weiß es sehr zu schätzen. Auch das ist übrigens Zuhause … und ich muss sagen, ich komme gern heim … Dahoam is eben dahoam!

3 Gedanken zu “Wieder dahoam in Minga

  1. Ach wie schön. So geht es mir, wenn ich von Düsseldorf in die alte Heimat Wiesbaden fahre. Gibt halt irgendwie doch nur ein echtes zuhause. Und München ist dafür sicher nicht die schlechteste Wahl!

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